Die Integration und der Doppelpass: Eine patriotische Meinung eines Selbstbetroffenen

Der 14. April 2015 wird für mich immer in Erinnerung bleiben, dieser Tag bedeutet mir immer noch viel. Ich habe mich wie ein kleiner Junge auf diesen Tag gefreut, endlich war ein zäher und langer Kampf für die Erfüllung eines meiner Wünsche zu Ende gegangen. Es verging bzw. vergingen 1 Jahr, 17 Monate und 7 Tage oder insgesamt 523 Tage. Ungefähr 700 Euro habe ich für diesen Wunsch bezahlt, viele Unterlagen ausgefüllt, Urkunden übersetzen und anschließend beglaubigen lassen. Der ukrainische Präsident Poroschenko musste sogar bemüht werden, damit er mich aus meiner alten ukrainischen Staatsangehörigkeit per Dekret erlassen kann. Das ließ sich der ukrainische Staat auch durch 350 Euro an Gebühren entlohnen. Auch die Stadt Köln hat für die Bearbeitung meines Begehrens gute 255 Euro in Rechnung gestellt. Dazu kamen noch diverse Nebenkosten, dennoch war es für mich kein Hindernis.

Gegen Nachmittag des 14.04.2015 saß ich am besagten Tag im Bürgeramt der Stadt Köln in Chorweiler. Ich war sehr aufgeregt. An diesem Tag wurde mir die deutsche Staatsangehörigkeit verliehen. Nach dem ich aufgerufen worden bin ging es ganz schnell. Ich musste einen Eid auf unser Grundgesetz und die freiheitlich-demokratische Ordnung ablegen bzw. erklären, dass ich diese nicht gefährden will. Danach wurde mir meine Einbürgerungsurkunde ausgehändigt und mit dieser Aushändigung endet ein langjähriger „Verwaltungsakt“, wie es im Juristen-Deutsch heißt. Ich wurde Deutscher.

Nach fast vier Jahren möchte ich nun ein Fazit ziehen, was sich bis dahin in meinem Leben verändert hat bzw. wie ich mich nun fühle, vor allem in jetzigen Zeiten von Debatten rund um das Thema Doppelpass und Integration…

1998 wurde ich in einer ukrainischen Großstadt, welche sich in der Nähe von Kiew befindet geboren. Die ersten vier Jahre meines Lebens habe ich in der Ukraine verbracht, an die Zeit kann ich mich freilich kaum erinnern. Jedoch wird der Ort bzw. das Land für mich immer was bedeuten, dort wurde ich geboren und z.B. auch in einer der ältesten christlichorthodoxen Kirchen in Osteuropas getauft. Meinen Migrationshintergrund bzw. Geburtsort werde ich nie leugnen können und das möchte ich auch nicht. Warum sollte man nicht auf seine Wurzeln Stolz sein können? Doch es sind nur die Wurzeln, doch eine Staatsangehörigkeit regelt die Beziehung zwischen Staat und Bürger. Es gibt Rechte und Pflichten. Warum soll ich in der Ukraine noch Bürgerrechte ausüben und evtl. Pflichten ausüben, wenn ich in diesem Staat nicht aufgewachsen bin, dort nicht mehr lebe, und es auch nicht mehr vorhabe. Ich kann nicht mal richtig die Amtssprache, die ukrainische Sprache.

Jedoch bin ich dafür, dass man sich grundsätzlich für einen Pass entscheiden sollte. Die jetzigen Regelungen über den Doppelpass sind unfair!

Wie definiert sich der Begriff des „Deutschen“? Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist ein Mensch, welcher die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Und das ist auch gut so! Es gibt keine „Rassengesetze“ mehr in Deutschland, ein Deutscher kann ein Mensch unterschiedlicher Hautfarbe sein, ein Christ, Jude oder Muslim. Man kann in Köln geboren worden sein oder in Timbuktu. Die Staatsangehörigkeit ist entscheidend. Ob diese Definition in der Praxis außerhalb von Amtshandlungen akzeptiert ist, sei dahin gestellt. In typischen Einwanderungsländern wie den USA oder Kanada werden eingebürgerte Zuwanderer eher als „Amerikaner“ bzw. „Kanadier“ durch die Bevölkerung gesehen, so wie ich es zumindest von Bekannten und Berichten raushören bzw. lesen konnte, als z.B. in Westeuropa. Dennoch stört es mich gar nicht, wenn man mich, falls dies überhaupt passiert, fragt „wo ich denn eigentlich herkomme“.

In den letzten vier Jahren durfte ich dank der deutschen Staatsangehörigkeit endlich wählen gehen. Dies war für mich ein ausschlaggebender Punkt bei der Einbürgerung, schließlich wollte ich endlich die Demokratie ausleben! Als Wahlberechtigter durfte ich dem Staat bei den Wahlen als Wahlhelfer helfen und habe somit dem Staat und der Gesellschaft etwas zurückgeben können. Zudem habe ich durch einige Nebenjobs bereits Steuern und Abgaben an den deutschen Staat gezahlt. Auch versuche ich mich für unser Leben in Deutschland zu engagieren und unser Land bzw. das Leben für unsere Bürgerinnen und Bürger ein Stückchen besser zu machen. Dank der deutschen Staatsangehörigkeit durfte ich jedoch die Reisefreiheit genießen und musste im Gegensatz zu manch anderen Staatsangehörigen weder ein Visum noch Sonstiges beantragen. Auch darf ich die Freizügigkeitsrechte genießen und ohne größere Probleme z.B. in der Schweiz leben und studieren. Es ist eine Art Geben und Nehmen. Es gibt Pflichten als Staatsbürger aber auch viele Rechte und Möglichkeiten.

Jedoch bin ich dafür, dass man sich grundsätzlich für einen Pass entscheiden sollte. Die jetzigen Regelungen über den Doppelpass sind unfair! Wer sich einbürgern möchte, der muss grundsätzlich seine alte Staatsangehörigkeit abgeben. Auch wenn ich als Deutscher eine Nicht-EU Staatsangehörigkeit (Ausnahme Schweiz, EWR-Staaten) annehmen möchte, so verliere ich automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit.

Folgende Ausnahmen bei der Doppelten Staatsangehörigkeit gab oder gibt es noch:

  1. Bürger der Europäischen Union und Staatsbürger der Schweizerischen Eidgenossenschaft sind von der Regel ausgenommen.
  2. Wer in Deutschland geboren worden ist und hier aufgewachsen ist, muss sich nicht mehr mit 23 entscheiden, welche Staatsangehörigkeit er behalten möchte, dies betrifft vor allem Deutsche mit Migrationshintergrund, welche durch die Geburt zwei Staatsangehörigkeiten erworben haben und eben nicht durch eine Einbürgerung.
  3. Spätaussiedler und jüdische Kontingentflüchtlinge (bis 2010) dürfen ihre alte Staatsangehörigkeit behalten

Ich sehe hier um ehrlich zu sein eine gewisse Ungleichbehandlung von sonstigen Eingebürgerten und den oben genannten Betroffenen.

Warum ist die doppelte Staatsangehörigkeit zusammengefasst problematisch?

  1. Loyalitätsprobleme; siehe die Probleme bei der Integration. Wie kann man als Deutscher einen Autokraten unterstützen? Wir dürfen keine Parallelgesellschaften zulassen. Der deutsche Pass darf auf keinen Fall lediglich als Papier bzw. als eine Eintrittskarte für die ganze Welt gesehen werden und als Abschiebeschutz gelten.
  2. Militär – Die Entscheidung zwischen Bundeswehr oder ausländische Streitkraft? Ich sehe es kritisch, wenn ein deutscher Staatsangehöriger in einer anderen Armee dient, sei es für ihn verpflichtend oder nicht.
  3. Auslieferungsprobleme in Strafverfahren; Beispiel: Wie soll ein in Deutschland gesuchter Deutsch-Russe an Deutschland ausgeliefert werden, wenn sich dieser in Russland befindet und nicht ausgeliefert werden darf, weil er in Russland als russischer Staatsbürger gilt und somit als Inländer einen Auslieferungsschutz genießt?

Ich bin dafür die doppelte Staatsangehörigkeit komplett zu verbieten, abgesehen von Sonderfällen, z.B. weil eine Entlassung aus der alten Staatsangehörigkeit nicht möglich ist. Das geht, in Österreich wird diese Regel praktiziert. Als einen Kompromiss könnte man höchstens weiterhin, wegen der sehr engen Beziehungen und gemeinsamen Werten mit anderen EU-Staaten, auch bedingt durch die gemeinsame Union, die Ausnahmereglung für EU-Staatsangehörigkeiten beibehalten. Auch wäre eine Ausnahme für EWRStaatsangehörige (Norwegen, Island, Liechtenstein) und Schweizern eine Option. Die drei genannten Punkte würden sich auch auf diese Personengruppen kaum auswirken. Dennoch wäre es für mich lediglich ein Kompromiss.

Einen Appell als „Eingebürgerter“ hätte ich noch an unsere Bevölkerung. Jeder sollte Stolz auf sein Land sein, vor allem Deutschland braucht einen gesunden Patriotismus, schwarz-rot-gold steht für die Freiheit und Demokratie unseres Landes und das lasse ich mir nicht durch linksextremistische Kritiker nehmen, welche Deutschland-Fahnen von Autos abreißen. Nicht nur bei der Fußball-WM sollten wir zum Patriotismus stehen, sondern vor allem in den jetzigen politischen Zeiten ein starkes patriotisches Zeichen für unser Land setzen.

Ich bin meiner Heimat, der Bundesrepublik Deutschland für alles sehr dankbar. Bei jeglichen Rückreisen nach Deutschland, egal aus welchen Ländern, ergeht eine innere Freude in mir, dass ich wieder zu Hause bin. Wie sagt man immer? Zu Hause ist es am schönsten und Deutschland bleibt es für immer, egal wo es mich noch im recht jungen Leben noch hinziehen wird.

27.03.2019, Leonid Syrota

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