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“Befragt mal die Leute!”

Der Bürgerverein Heimersdorf/Seeberg-Süd e.V.  ist einer der aktivsten bürgerlichen Akteure im Kölner Norden. Er ist gut vernetzt und startet immer wieder Aktionen, die oft eine bezirksweite Bedeutung erlangen.  Wir haben den Vorsitzenden des Vereins Dieter Höhnen um einen kurzen Überblick der Themen im Bezirk Chorweiler, die die Bürger und die Politik im vergangenen Jahr beschäftigt haben, gebeten.

Herr Höhnen, welche Themen waren, Ihrer Meinung nach, wichtig im Jahr 2022?
Drei Komplexe : die Folgen der Pandemie, des unseligen Krieges in der Ukraine sowie des Klimas. Bis zum April haben wir noch unsere Aktionen in Bezug auf unsere Impfaktionen zu Covid 19 aktiv betrieben. Auch das Thema Starkregenfälle, das uns 2021 intensiv beschäftigt hat, haben wir in diesem Jahr weiter verfolgt. Der Ukrainekrieg beeinflusst natürlich viele weitere Bereiche unseres Lebens, auch ganz konkret im Kölner Norden. Die Energieversorgung – besonders im Bereich Windenergie und Fotovoltaik – stand bei uns besonders zum Ende des Jahres auf der Agenda.

Die im Bezirk Chorweiler geplanten Windräder stießen auch auf Kritik.
Die Dinge sind im Fluss. Wir sind der Meinung, dass der Kölner Norden (Bz6) nicht stets ein Ort sein soll, auf dem die Stadtverwaltung alle möglichen Projekte ablagert oder diese dort schlichtweg nicht löst.

Es war für mich relativ einfach aus langjähriger Überzeugung etwa zu sagen: „Keine Klärschlammverbrennungsanlage im Kölner Norden!“ Die Angelegenheit Windkraft ist trotz überlagender Zusammenhänge etwas Anderes. Die aktuelle politische Situation zwingt uns die Energieversorgung umzugestalten. Wir – unser Bezirk – sind ein grüner Teil von Köln und wir haben viele Grünflächen, die ein wichtiger Freizeit- bzw. Lebensbereich für Bewohnerinnen und Bewohner im Bezirk Chorweiler und darüber hinaus sind.

Das kann nicht einfach in wichtigen Teilen geopfert werden. Wir erwarten, dass Stadt und Rheinenergie zustimmend erklären, dass der Kölner Norden nicht der einzige Standort für die Windkraft in Köln sein wird.

Es muss dabei zunächst die ökologische Verträglichkeit für Flora, Fauna und unsere Bürgerschaft geprüft werden. Das Ergebnis ist heute noch völlig offen. Nach bekannt gewordenen Planungen sollen mit den Windrädern zunächst ca. 50-Tausend Haushalte versorgt werden. Das entspricht übrigens ungefähr der Menge an Haushalten im Stadtbezirk 6. Wenn der so produzierte Strom also vorrangig zu Gute den Bewohnern des Kölner Nordens kommen würde, dann kann man darüber völlig anders reden als wenn wir nur Zulieferer für andere wären. Wir fordern, dass die Bürger ganz konkret in die Planungen einbezogen werden. Befragt mal die Leute! Ohne Grundsatz-Zustimmung der Bürgerschaft darf nach meiner Überzeugung die Politik keine Schritte mehr weiter gehen. Andere Kommunen zeigen längst wie so etwas funktionieren kann.

Ist es nicht so, dass viele direkt Betroffene oft keine Windräder in ihrer Nähe haben wollen?
Das ist erstmal eine Behauptung. Die Bürger sind ja gar nicht befragt worden. Wir müssen die Bürgerschaft jeweils vor Ort befragen, nachdem man sie sachgerecht informiert hat. Lange Zeit haben sowohl die Rheinenergie, als auch die Stadt Köln verhindert, dass die Planungsabsichten überhaupt an die Öffentlichkeit kommen. Erst in den letzten Wochen hat zumindest die Rheinenergie offenbar schrittweise verstanden was nötig wäre, incl. Verzicht auf SF6-Technologie. Das gilt auch für ein anderes affines Thema, die Fotovoltaik, die den Bürgern noch viel stärker unter den Nägeln brennt – weil es sie individuell betrifft.

Ende November hat unser Bürgerverein auf einer Veranstaltung in Heimersdorf die Menschen befragt, ob sie Interesse am Thema Solarenergie haben. Da war der Zulauf unglaublich. Wir haben neben den Interessenlagen dabei so viele Beitrittswünsche für unseren Verein erhalten, wie in den letzten vier Jahren zusammen nicht. Wir wollen daher möglichst ab Anfang 2023 die Rheinenergie, Innung und zertifizierte Fachfirmen nach Heimersdorf einladen, um den Bürgern die Möglichkeit zu gehen, sich individuell sachkundig zu informieren. Auch die Politik laden wir dazu ein mitzuwirken.

Ich wünsche mir eine wehrhafte Demokratie und eine Bürgerschaft die vernehmbar zusammensteht. Dabei fangen wir in unserem jeweils eigenen Wohnumfeld an.
Dieter Höhnen
Vorsitzender des Bürgervereins Heimersdorf/Seeberg-Süd e.V.

Wie schätzen Sie die Situation mit der E-Mobilität im Bezirk ein?
Wenn man etwa in die Niederlande geht ist man erstaunt, was dort alles möglich ist. Ich habe bereits 2018 Vorschläge für Ladestation-Standorte in Heimersdorf und Seeberg-Süd gemacht, die im Januar 2019 veröffentlicht wurden: 10 konkrete Standorte – u.a. mit der Begründung, diese könnten nur der Anfang sein. Bis heute ist leider nur an einer einzigen Stelle etwas passiert. Nun lese ich seit Kurzem, dass man in der Stadt Köln endlich wach wurde und das Ladesäulen-Netz künftig stark ausbauen möchte. Anfang 2019 hat man uns seitens der Stadt für die Anregungen gedankt und versprochen, diese einzubinden. Geschehen ist das leider aber nicht. Ändert sich das?

Die Bezirksvertretung weist seit mehreren Jahren immer wieder auf die Defizite der Deutschen Bahn im Kölner Norden hin. Sehen Sie Licht am Ende des Tunnels?
Es ist dringend geboten den ÖPNV im Kölner Norden auszubauen. Leider mangelt es offenbar an Lobbyarbeit auf allen kommunalen Ebenen für den Bezirk 6. Konkrete Anregungen liegen auf dem Tisch – teils seit Jahrzehnten.
Ob die DB oder die KVB uns überhaupt im Blick haben ist mehr als fraglich. Am besten fragen wir doch mal gemeinsam : „Hey Bahn, hey Bussies, hey Politik, hey Herr Dezernent …?“ . Der Tunnel ist leider noch ziemlich dunkel.

Wie schätzen Sie, als Vorsitzender eines aktiven Bürgervereins, die Zusammenarbeit mit der kommunalen Politik ein?

Die Kontakte sind freundlich. Ich gehöre nicht zu denen, die pauschal auf die Verwaltung schimpfen. Meine persönliche Erfahrung sagt, wenn man selbst nicht nur freundlich, sondern qualifiziert, unabhängig und sachlich auftritt, dann findet man in der Politik und der Verwaltung auch zugewandt Zuhörende. Ich neige auch nicht zu einem pauschalen Politiker-Bashing. In der Stadt und im Rat hat unser Bezirk aber leider deutlich zu wenig Einfluss.

Unsere Zusammenarbeit mit unserer bezirklichen Verwaltung war stets gut. Dies gilt auch für die Mehrheit in der BV6. Mit der lokalen CDU, der SPD oder den Linken gab es beständig guten Kontakt. Etwas mehr wünschte ich mir aktuell seitens der Grünen und der FDP. Mit der AfD pflegen wir solche Kontakte unsererseits allerdings nicht. Ich bin der Überzeugung, dass die Menschen und die Vereine unseres Stadtbezirks viel aktiver gehört werden müssten. Dazu müssen sie aber auch Gelegenheiten bekommen. Und sie sollen mit Vollzugs-Rückmeldungen die Möglichkeit bekommen wirklich und erkennbar mitzuwirken. Da bessert sich gegenwärtig Einiges. Aber wird das nachhaltig sein? Hoffen wir mal.

Was meinen Sie, welche lokalen Themen werden uns 2023 noch beschäftigen?

Ich bin seit Jahren darüber entsetzt, wie sehr die Situation im Schulwesen angespannt ist. Die Kinder können zu oft nicht mehr in der Nähe ihres Wohnstandortes zur gewünschten Schule gehen, weil Schulplätze fehlen. Das finde ich ist eine unnötige Katastrophe! Es muss viel mehr Investition von der Stadt in Kitas und Schulen erfolgen. Es darf auch nicht sein, dass Schülerinnen und Schüler in maroden Gebäuden, die zum Teil sogar längerfristig gesperrt sind, weiter unzureichend bis gar nicht versorgt werden.

Dabei wäre es an manchen Standorten relativ schnell und günstig möglich, mithilfe z.B. von modernen Containern die Situation vorübergehend zu mildern. Die Tafeln wissen auch nicht, wie sie den momentanen Ansturm an Hilfsbedürftigen noch bewältigen sollen. Wir dürfen alle Notleidenden nicht aus unseren Blicken nehmen. Statt z.B. überbordender Boni einerseits und teils explodierender Gewinne andererseits verletzen etliche Entscheidungstragende massiv ihre sozialen Verpflichtungen.

Ferner ist die Wohnungsnot natürlich nicht vorbei. Neulich wurde publiziert, dass 80% der arbeitenden Bevölkerung sich kein Eigenheim mehr leisten kann. Dabei hätten wir im Kölner Norden eigentlich beste Bedingungen für weiteren sozialen Wohnungsbau, ausdrücklich auch für privates Eigentum. Aber leider keine wirksame Lobby, es für Normalverdienende noch erträglich zu machen, es „sich leisten“ zu können. Da erwarte ich ergänzend schon vom Land und der Kommune mehr Flexibilität und Abbau der Bürokratie, sowie Ausbau von Fördermöglichkeiten statt deren zeitnah zu erwartenden Abbau.

Was wünschen Sie sich, als aktiver Bürger, für das 2023?
Ein friedliches und freundliches Miteinander. Die Empörungswelle, die überall schwappt, ist zwar nachvollziehbar, aber es ist nicht so, dass nichts Positives geschieht. Ich wünsche mir echte Bürgernähe, plädiere daher dafür, dass die Bürgerschaft regelmäßig gefragt wird, wo sie steht und was sie will. Und dass die Politik erst danach abwägend entscheidet, sich somit also immer versteht als „im Auftrage der Bürger*innen“. Sonst droht fortschreitende Politikverdrossenheit, die sich manche zu Nutze machen, um zielbewusst unserem Land und der Demokratie Schaden zuzufügen. Wo immer das geschieht wünsche ich mir eine wehrhafte Demokratie und eine Bürgerschaft, die vernehmbar zusammensteht. Dabei fangen wir in unserem jeweils eigenen Wohnumfeld an. Anders gesagt: wir kümmern uns!

Ich wünsche mir, dass Vermögende ihre sozialen Pflichten erfüllen. Und zu guter Letzt: Dass Politik erkennt, dass es keine Pflicht zum Streit gibt sondern auch für diese gilt: Jede Auseinandersetzung muss dem Gemeinwohl dienen.

Interview geführt hat Alexander Litzenberger, chorweiler-panorama.de

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