Das Tauziehen um den Bau einer Klärschlammverbrennungsanlage in Merkenich

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Merkenich aus der nördlichen Perspektive.

Es gibt kaum noch ein anderes Veedel im Kölner Norden, das derart von Industrie-Landschaften geprägt ist, wie Merkenich. Im Süden liegt der Autobauer Ford, im Norden markiert die Leverkusener Brücke die optische Grenze, im Westen haben sich mehrere Betriebe angesiedelt, im Osten am Rhein-Ufer hat sich der Chemiepark des Riesen Bayer AG ausgebreitet. Und über allem ragt der 250-Meter hohe Schornstein des Heizkraftwerks. Und genau dieses Kraftwerk sorgt in der letzten Zeit für jede Menge Zündstoff bei den Einwohnern des Ortes.

Das Kraftwerk Merkenich ist der Energie- und Wärmelieferant des Kölner Nordens. Die Anlage besteht aus einer erdgasbefeuerten Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk-Anlage sowie einem Kessel, der mit Kohle befeuert wird. Deutschland steigt bekanntlich aus der Kohleverbrennung aus. Bis 2025 soll daher Braunkohleverbrennung am Standort Köln-Merkenich stillgelegt werden. Darauf haben sich die Merkenicher schon gefreut, schließlich soll dadurch der CO2-Ausstoß reduziert und die Luft sauberer werden. Diese Vorfreude war aber von kurzer Dauer.

Grafik mit Argumenten der Gegner der KVA im Kölner Norden.

Das Gelände im Kölner Norden rückte in den Focus der s.g. Klärschlammkooperation Rheinland (KKR), jener Vereinigung von StEB Köln, des Wasserverbandes Eifel-Rur, des Erftverbandes, des Niersverbandes, der Stadt Bonn und 17 interessierten Gemeinden aus dem Nahbereich, die seit 2018 händeringend einen Standort für die Verarbeitung von Klärschlamm suchen. „Klärschlämme (aus Abwasser durch Sedimentation abtrennbare wasserhaltige Stoffe) stammen aus kommunalen Kläranlagen, in denen Abwässer, insbesondere aus privaten Haushalten und vergleichbaren Einrichtungen, gereinigt werden.“ – so die geläufige Definition. Die Entsorgung von Klärschlamm ist technisch aufwändig und teuer. Hinzu kommt, dass der Rohstoff Phosphor zukünftig zurückgewonnen werden muss. Der Standort Merkenich hat für den Bau einer Klärschlammverbrennungsanlage mehrere Vorteile:

  • Der Klärschlamm des Klärwerks in Stammheim kann mittels einer Druckleitung durch einen vorhandenen Düker zur Anlage transportiert werden, was eine Reduzierung des LKW-Lieferverkehrs zu Folge hat.
  • Weitere Anteile des Stoffes können per Schiff geliefert werden.
  • Die Wärme, die während der Entsorgung entsteht, kann als Fernwärme für ca. 1.700 Haushalte genutzt werden.

Das klang für die Teilnehmer der Klärschlammkooperation überzeugend, daher gingen sie am 2. März 2021 mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit und kündigten die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens namens KLAR GmbH (Klärschlammverwertung am Rhein) an, das den Bau und den Betrieb einer KVA verantworten soll. Der Stadtrat Köln hätte am 6. Mai Grünes Licht für das Projekt geben sollen. Dann meldeten sich jedoch Einwohner von Merkenich.

Flyer des Bürgervereins Merkenich.

Eine Woche nach der Pressemitteilung der Klärschlammkooperation veröffentlichte der Bürgerverein Merkenich auf seiner Website eine „Information der Stadtentwässerungsbetriebe Köln zur Merkenicher Klärschlammverbrennung“, in der er über das Vorhaben informiert hat. Schnell formierte sich der Protest. Am 22. März berieten sich mehrere Bürgervereine des Kölner Nordens über das Thema „Bau einer Klärschlammverbrennungsanlage in Merkenich“. Als Ergebnis entstand ein Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden im Kölner Stadtrat, indem auf die Risiken und Herausforderungen des Projektes hingewiesen und um umfassende Informationen für die Bürger gebeten wurde. Die Hauptkritik richtete sich gegen ein erhöhtes LKW-Aufkommen (bis zu 11 Tsd. LKW-Transporte des Klärschlamms pro Jahr), mögliche Geruchsbelastung und allgemeine starke Vorbelastung des Standortes Merkenich mit Emissionen der bereits vorhandenen Industrie.

Inan Gökpinar (L.) und Mattis Dietrich (R.) beim SPD-Pressetermin vor dem Heizkraftwerk Merkenich.

Die SPD im Bezirk Chorweiler lud daraufhin am 26. März Medien zu einem Pressetermin und sprach Unterstützung für das Anliegen der Bürgervereine aus. Der Vorsitzende der SPD im Bezirk, Mattis Dietrich, kann die Pläne der KKR für Merkenich nicht nachvollziehen und forderte mehr Rücksichtnahme auf die Sorgen der Bürger. Außerdem besteht die SPD auf Nichtbenutzung der Anfahrtstraße Ivenshofweg für den Klärschlamm-Transport, der eine große Belastung für die Anwohner bedeuten würde. Der Fraktionsvorsitzende in der Bezirksvertretung Chorweiler, Inan Gökpinar, forderte einen stärkeren Ausgleich für den Kölner Norden: „Es kann nicht sein, dass der Kölner Norden bis zu 30% der Einnahmen der Stadt aus dem Gewerbe generiert, aber in Punkto ÖPNV, Schul- und KiTa-Versorgung ständig benachteiligt wird.“

Mitte April wurde die Online-Petition „Verbrennung von Klärschlamm in Köln-Merkenich-„Uns Bürgern stinkts!“ gestartet, eine facebook-Seite „Keine Klärschlammverbrennung im Kölner Norden“ wurde geboren. Der Bürgerverein Merkenich hat einen Flyer mit dem Titel „Kölner Norden soll der Mülleimer für das westliche Rheinland werden“ in Umlauf gebracht. Mehrere führende Kölner Medien haben über das Problem berichtet.

Die Seite der Klärschlammkooperation hat reagiert und veranstaltete mehrere Videokonferenzen für die Bürgervereine, konnte aber offenbar die Bedenken der Bürger nicht wesentlich entkräften. Die Protestierenden bekommen in den letzten Tagen zunehmend Unterstützung seitens mehrerer Parteien in der Bezirksvertretung (s. Infokästen)

Der Kölner Ausschuss Klima, Umwelt und Grün hat in seiner Sitzung am 22.04.2021 den Erwartungen der Bürger einen Dämpfer verpasst und ist dem Zurückstellungsantrag nicht gefolgt. Somit bleibt das Thema der Gründung der KLAR GmbH auf der Tagesordnung des Stadtrates am 6. Mai. Gegen die Vertagung haben  Bündnis 90 / Die Grünen, CDU und Volt gestimmt. Die SPD-Fraktion und die Fraktion Die Linke waren dafür, die FDP-Fraktion hat sich enthalten.

Der Transport des Klärschlamms mit LKW durch den Ivenshofweg soll verhindert werden

Diese Beschlussvorlage für den Rat hat hingegen eine breite Mehrheit gefunden: „Bei der Realisierung des Projektes ist die Anlieferung von Klärschlämmen per LKW auf das absolute Mindestmaß zu beschränken. Die Führung des LKW-Verkehrs hat dabei unter größtmöglichem Schutz der Wohnbebauung und keinesfalls über den Ivenshofweg zu erfolgen. Vielmehr erfolgt die Anlieferung per LKW ausschließlich über die Straße „Am Ölhafen“. Diese ist auf Kosten des Vorhabenträgers im erforderlichen Umfang zu ertüchtigen.“

Nun richten sich hohe Erwartungen auf die Sitzung des Kölner Stadtrates am 6. Mai.

Alexander Litzenberger

Klärschlammverbrennungsanlage in Köln -Merkenich“ (KVA).
  • Die KVA soll auf einer bestehenden Infrastruktur aufgebaut werden
  • Kapazität von 120 Tsd.-180 Tsd.Tonnen Originalsubstanz/Jahr
  • Die Abwärme der KVA kann ca. 1.700 Haushalte im Kölner Norden mit Fernwärme versorgen,.
  • Ein Großteil des Klärschlammes wird per Düker transportiert, aber auch mit Schiff, Bahn und LKWs (bis zu 11.000 LKW-Fahrten pro Jahr)
  • CO2-neutrale Entsorgung
Bruno Klais, Vorstandsmitglied des Bürgervereins Merkenich
Bruno Klais, Vorsitzender des Bürgervereins Merkenich.

Als Bürgervereine des Kölner Nordens lehnen wir es ab, dass eine weitere belastende Anlage wie die Klärschlammverbrennung am Ortsrand von Merkenich gebaut werden soll. Dabei läuft die Kommunikation immer noch nicht direkt mit der Bevölkerung, sondern nur mit den Bürgervereinen und Bezirksvertretern. Bisher gab es keine offiziellen Informationen für die Bevölkerung.
Auf die Belastungen für den Kölner Norden und speziell für den Ortsteil Merkenich wird unseres Erachtens gar nicht genug eingegangen. Entsprechende Antworten auf unsere Fragen haben wir bisher nur mündlich. Nun sehen wir auch bei der KVA einige Versprechen, die nicht schriftlich vorliegen, eher mit gewisser Skepsis. Wir fordern einen Dialog auf Augenhöhe und mehr Rücksicht auf die Interessen der Bürger vor Ort.

Joshua Schlimgen, Einzelmandatsträger FDP in der BV Chorweiler
Joshua Schlimgen, Einzelsatzdatenträger FDP

Die Errichtung einer Klärschlammverbrennungsanlage am Standort Merkenich hat Vor- und Nachteile, die beide offen beleuchtet werden müssen. Klar ist: der Standort ist aus vielen Gründen, darunter die mögliche An-/Ablieferung per Bahn und Schiff, die direkte Verbindung zur Kläranlage Stammheim, die Verbindung zum Fernwärmenetz im Kölner Norden und die Möglichkeit, den Wegfall des Braunkohle-Heizkraftwerks teilweise zu kompensieren, fast schon einzigartig für eine solche Anlage geeignet. Gleichzeitig wird es natürlich zu Lasten für Natur und Menschen vor Ort kommen, die ja gerade erst durch die Abschaltung des Heizkraftwerks entlastet werden sollten.
Um diese Interessen in Einklang zu bringen, werden zwei Dinge notwendig sein: zum einen muss die StEB, so bald wie infektionsverhütend möglich, alle Anwohner*innen vor Ort in einer Veranstaltung über das Projekt umfassend informieren. Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts ist in meinen Augen hochkompetent und kann auch die Fragen und Sorgen der Menschen am besten beantworten. Zum anderen sollten in der Planung die höchsten Standards und neuesten technischen wie rechtlichen Möglichkeiten eingesetzt werden, um Schadstoff- und Geruchsemmissionen, aber auch die Verkehrslast auf ein Minimum zu reduzieren. Im Rahmen dieser Forderungen halte ich das Projekt allerdings für einen Gewinn und unterstütze es..

Fraktion Die Linke in der BV Chorweiler.
Klaus Roth, Die Linke. Archivfoto

Wir lehnen die Verbrennung von Klärschlamm in Merkenich ab. Die BV hatte eine „Informationsveranstaltung“ mit StEB und den Stadtwerken, in der man sich schlicht weigerte, unsere Fragen zu beantworten. Wir haben den Eindruck gewonnen, dass kein alternativer Standort geprüft wurde. In Merkenich wäre eine solche Anlage zu dicht an den Wohnhäusern, so dass eine Beeinträchtigung für die Bewohner unvermeidbar wäre. Hinzu käme viel LKW-Verkehr, weil offensichtlich der Klärschlamm des halben Rheinlandes in Köln verbrannt werden soll.

Johannes Petrikowski, 1. Vorsitzender des Bürgervereins IG Blumenberg e.V.:

Die Klärschlammverbrennungsanlage ist für den Kölner Norden und Blumenberg ein wichtiges Thema. Da der Kölner Norden bis jetzt immer sehr wenig Gehör gefunden hat, ist es uns sehr wichtig hier solidarisch mit allen Bürgervereinen des Kölner Nordens zusammen auf die Probleme und Bedenken der Bevölkerung hinzuweisen. Auch wenn bis jetzt Planer und Betreiber der Anlage die Bürgerbeteiligung sehr stiefmütterlich behandelt haben.“

Update 30.04.2021: Am 30. April findet eine Sondersitzung der Bezirksvertretung  Chorweiler zur geplanten Errichtung einer Klärschlammverbrennungsanlage in Köln-Merkenich statt.

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