In letzter Zeit hört man Worte wie Integration, Migration und Kulturaustausch öfter als jemals zuvor. Heute wollen wir unseren Lesern ein russischsprachiges Theater in Chorweiler vorstellen: „Marissel“. Es befindet sich in der Tiberstr. 3 in den Räumen des Internationalen Zentrums der Kreativität „Phoenix“. Vor Kurzem nahm die „Art-World-Foundation“, die Kinderprojekte unterstützt, das Theater unter ihre Fittiche und die Truppe darf ins Bürgerzentrum von Chorweiler umziehen. Der große Traum der jungen Schauspieler wird wahr!
Was ist „Marissel“?
Im Namen des Theaters schwingt der Name seiner Gründerin mit – Marina. Ihre ganze Seele hat Marina Immel in dieses Theater gesteckt. Sie hat es vor zwei Jahren gegründet. Die Schauspieler sind Kinder und Jugendliche zwischen vier bis vierzehn Jahre, aber auch einige Erwachsene. Im letzten Jahr war das Musiktheater in Hamburg und Bremen zu Besuch, wo das Stück „Schneewittchen“ mit Begeisterung und dem warmen Applaus vom Publikum empfangen wurde. In Bremen hat die Truppe sogar den Preis „Für die beste Nebendarstellerin“ bekommen.
Wir besuchen jetzt eine Probe.
Es ist der 5. Februar 2017. In einer Woche steht ein Gastspiel bevor, – das Theater wurde nach Solingen eingeladen. Geprobt wird mit großem Elan und ganzem Körpereinsatz, denn es wird getanzt, gehüpft, gerannt und gesungen. Aufgeführt wird das Stück „Schneewittchen“ aber nicht so, wie es viele kennen. Marina hat die Geschichte neu konzipiert, dem alten Märchen ihre eigene Note verpasst. Deswegen man muss sich nicht wundern, wenn ein Wolf oder Fuchs aus einer Geschichte in einer anderen erscheinen. Es entstand ein Musical, in dem einige Darsteller in mehrere Rollen schlüpfen.
Ohne Fleiß kein Preis
An diesem Tag probt die ältere Gruppe. Eine kurze Pause nutzen wir für ein Gespräch. Wie fanden die Jugendlichen den Weg ins Theater, wollen sie später mal Schauspieler werden?
Die erste Frage wird von allen Kindern sofort beantwortet: durch Freunde und Bekannte. Daria (10), das Schneewittchen, hatte schon früher in einem Chor „Bühnenerfahrung“ gesammelt . „Einmal habe ich schon mal den Fuchs gespielt und die Premiere war ausgerechnet an meinem Geburtstag“ – erzählt Daria. So etwas vergisst man nie. Das Stück wurde auch auf Deutsch gespielt, übersetzt von Darias Mama, Anastasia Ivanenko, die als freiberufliche Übersetzerin tätig ist.
Meistens wird aber auf Russisch gespielt, in der Muttersprache. Trotzdem kann jeder das Spektakel genießen, denn der Inhalt ist auch ohne Sprachkenntnisse verständlich. Schließlich sind die Märchen doch weltberühmt.
Sascha (10) war das erste Mitglied in diesem Theater, sie ist hier schon so etwas wie eine Veteranin. Früher hat sie in der Schule bei Marina mitgemacht. Jetzt spielt sie den schlauen feurigen Fuchs.
Es gibt noch einen Sascha in der Gruppe – einen Jungen von 13 Jahren. Er ist auch seit Anfang an dabei. Schon in der Heinrich-Böll-Schule hat er die Theaterklasse besucht. Diesmal spielt er den Wolf. Aber trotz seiner Talente (er singt auch klasse) kann er sich vorstellen, zum Beispiel Architekt zu werden. Unsere jungen Schauspieler sind eben vielseitig.
Zu der Gruppe der älteren gehört auch Alex (14). Er hat in seinem Freundeskreis von diesem Theater gehört und war sofort begeistert. Alex hat ganz genaue Vorstellungen über seine Zukunft: er will Theater oder eine andere Kunstart zu seinem Beruf machen. Und auf diesem Weg hat er schon die ersten Bausteine gelegt, – er probierte sich als Theaterreporter und plant nun eine Sketchshow auf der Bühne des Marissel-Theaters. An Ideen mangelt es ihm nicht. Im aktuellen Stück spielt Alex einen coolen Bodyguard, den Koch und zu guter letzt auch den Prinzen. Wie auch seine Kollegen kann er selbstverständlich gut singen.
Ein Häschen wird von Isabel (12) dargestellt. Als sie vom Theater gehört habe, war sie sehr skeptisch. Erst mal wollte sie sehen, was da gespielt wird. Und danach war Isabel nicht mehr zu bremsen.
Außer verschiedenen Tieren im Stück gab es noch zwei wunderschöne Schmetterlinge, dargestellt von Daria (12), die auch noch Geige spielt, und der kleinen Sofia (8).
Nach der Probe gab es eine Besprechung. Der Termin des Gastspiels kommt schließlich immer näher, eine Woche Zeit haben sie nur noch.
Zu Gast in Solingen
Mit dem Schnee hat der Name „Schneewittchen“ herzlich wenig zu tun. Manchmal passieren aber doch merkwürdige Sachen: Am Tag der Aufführung, dem 11.02.17, liegt überall Schnee. Ein Wunder ist geschehen!
Ein befreundeter Verein hat das Theater aus Chorweiler nach Solingen eingeladen: „Raduga“, übersetzt aus dem Russischen bedeutet das „Regenbogen“. Er hat schon früher von diesem Theater gehört. Der Solingen-Verein wird von der engagierten Powerfrau Tanja Schwenke geleitet. (www.raduga-solingen.de).
Und endlich ist es so weit.
Um 11 Uhr war der Saal voll und die Vorstellung konnte beginnen. Die Stimmung war bombig, die Darsteller Spitze. Das Publikum von Groß bis Klein tobte vor Begeisterung.
Die frechen und munteren sieben Zwerge haben das Publikum buchstäblich vom Hocker gerissen, die Zwillinge Kristina und Viktoria, Elsa, Veronika, Ksenia, Amalia und Faina, die jüngste von allen. Sie ist erst vier Jahre alt. Als Kikimora hat auch die Mama der Zwillinge mitgespielt. Das musste man wirklich gesehen haben.
Aber der unangefochtene Star der Vorstellung war sie – Marina Immel, zuerst die böse Hexe, dann, dank der Umerziehungsbemühungen seitens diverser Waldbewohner, doch noch eine gute Fee. Sie flog über die Bühne wie ein Wirbelwind, gleichzeitig singend und tanzend. Die Zuschauer haben diese charmante Hexe sofort in ihre Herzen geschlossen. Die allgemeine Meinung, nach einer Blitzumfrage beim Publikum: Das war eine sehr gelungene Vorstellung, sogar das Wort „genial“ war gefallen. (Stimmen „dagegen“ gab es dagegen nicht!) Die Zuschauer haben die Offenheit und das Selbstbewusstsein der Theaterkinder bewundert. Es sind fröhliche und glückliche junge Menschen. Das Theater zeigt hier seine magische Wirkung.
Gastspiel in Solingen. Impressionen
Foto: Theater Marissel, Larissa Owtscharenko
Zum Schluss muss man noch die Eltern der jungen Stars würdigen. Die Mütter waren Stylisten, Visagisten, Tontechniker und vieles mehr, die Väter waren zuverlässige Fahrer und Techniker, der Ehemann von Marina – Eduard – ist gleichzeitig Theaterchronist. Er hält mit der Videokamera das Leben des Theaters fest und kümmert sich um die jüngeren Kinder, wenn seine ältere Tochter und deren Mama Marina, Proben und Auftritte haben. In diesem Stück spielt Oleksandra Immel (9) den Spiegel. Nichts ist unmöglich in diesem märchenhaften Theater. Nun wird erst mal allen Beteiligten eine Verschnaufpause gegönnt. Im März geht es weiter. Wer Kontakt zu „Marissel“ sucht, findet ihn hier: marissel-theater.de.
16.02.2017, Larissa Owtscharenko