Bundestagswahl in Chorweiler
Parkplätze am Alpenrosenweg in Köln-Seeberg waren am Sonntag, dem 3. September sehr rar. Die Autos parkten dicht aneinander. Die Veranstaltung der Alevitischen Gemeinde Köln, die ihren Sitz in einer unscheinbaren Nebenstraße hat, war sehr gut besucht. Der große Raum des zweistöckigen Gebäudes mit grauer Fassade und Flachdach, war mit über 100 Personen praktisch voll. Die Gemeinde hat mehrere Kölner Bundestagskandidaten aus dem Wahlkreis Köln III gebeten, sich und ihr Programm vorzustellen und sie sind alle gekommen. Gisela Manderla (CDU), Dr. Rolf Mützenich (SPD), Katharine Dröge (Die Grünen), Volker Görzel (FDP) und Güldane Tokyürek (Die Linke) standen zwei Stunden lang den zahlreichen Gemeindemitgliedern mit Rede und Antwort zur Verfügung.
Die junge, zierliche Alev Sertkaya (ehem. Jugendvorsitzende in der Gemeinde) begrüßte die Anwesenden im Namen des Vorstandes und präsentierte selbstbewusst viele Zahlen. Zum Beispiel, dass die Kölner Gemeinde 1991 gegründet wurde und aktuell 558 Familienmitglieder zählt. Ihr Einflussbereich erfasse bis zu 20. Tausend Aleviten in Köln und Umgebung. Knapp 60% der Aleviten haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Dann kam der Satz, der die Essenz der Veranstaltung wiedergeben könnte: Wir lassen uns von äußeren Einflüssen nicht beeindrucken und gehen wählen „Weil Deutschland unsere neue Heimat geworden ist“.
Die Vorstellungsrunde
Der Reihe nach stellten die Kandidatinnen und Kandidaten die Schwerpunkte ihrer Parteiprogramme vor. Gisela Manderla (CDU) verwies auf die aktuell guten Konjunkturdaten, versprach mehr Investitionen in die Bildung, hob die Förderung des Immobilienerwerbs hervor: Wer eine Immobilie kauft, soll für jedes Kind pro Jahr 1200 Euro Zuschuss über einen Zeitraum von zehn Jahren bekommen. Dr. Mützenich (SPD) lobte die Haltung der Alevitischen Gemeinde, „die keine Direktiven von außen befolgt“. Die SPD fordere einen modernen, starken Staat, der starke Gewerkschaften und Arbeitgeber braucht. Der Staat solle das Rentensystems stützen und für Chancengleichheit in der Bildung sorgen. Katharine Dröge (Die Grünen) besetzte die klassischen Themen der Partei wie Förderung der neuen Energien und der E-Mobilität, Verringerung der sozialen Ungleichheit, Bürgerversicherung und Abbau des Leistungsbilanzüberschusses.
![]() | ![]() | ![]() | ![]() | ![]() |
| Gisela Manderla, CDU | Dr. Rolf Mützenich, SPD | Katharine Dröge, Die Grünen | Volker Görzel, FDP | Güldane Tokyürek, Die Linke |
Sie forderte weiterhin das Recht auf Flucht und Asyl. Volker Görzel (FDP) fasste das Wesentliche im Parteiprogramm so zusammen: „Bildung, Bildung, Bildung!“. Mehr Digitalisierung in der Arbeitswelt und Dienstleistungen des Staates an den Bürger. Als einziger griff er das Thema Sicherheit auf und forderte mehr Polizei. Bevor man anfängt über die Deadlines für konventionelle Autos zu reden, solle man Antworten auf die Fragen wie „Was passiert mit den aktuellen 20.000 Arbeitsplätzen bei FORD in Chorweiler?“ finden. Die FDP fordere ferner ein modernes Einwanderungsgesetz. Güldane Tokyürek (Die Linke) präsentierte eine Beispielrechnung für eine alleinstehende Person mit der Steuerklasse 1, bei der vom 1.500 Euro-Bruttogehalt am Ende nur noch 1.100 Euro im Portemonnaie bleiben. Der aktuelle Mindestlohn würde für eine gute Rente nicht reichen. Daher soll man ihn auf mindestens 12 Euro pro Stunden erhöhen. Sie forderte mit energischer Stimme die Abschaffung der Sanktionen bei HARTZ IV-Empfängern. Sie seien kontraproduktiv. Man solle die Interessen der benachteiligten Bevölkerungsgruppen stärker in der Politik berücksichtigen (Applaus). Auch ihre Partei stünde für den Ausbau des ÖPNV und der Elektromobilität.

Fragen aus dem Publikum
Die zweite Hälfte war für die Fragen der Zuhörer vorgesehen. Man interessierte sich für die weitere Entwicklung im Pflegebereich. Es gab Fragen, wie es nach der Bundestagswahl mit der Türkeipolitik weitergehe. Man wollte von den Politikern wissen, wie sie Chancengleichheit in der Bildung zu gewährleisten gedenken.
Die CDU stehe für den Ausbau der Ambulanten Pflege, mehr Pflegepersonal, bessere Bezahlung, die Ausbildung der Pflegekräfte solle modernisiert werden: Nach zwei Jahren entscheiden die Auszubildenden selbst, ob sie die gemeinsame Ausbildung fortsetzen oder wie bisher einen Abschluss im Bereich der Kinderkrankenpflege oder der Altenpflege wählen. Für Frau Manderla ist der Türkei-Beitritt zur EU nun in weite Ferne gerückt, man müsse konsequent bleiben, aber die Konflikte nicht unnötig verschärfen.


Die Unsicherheit in der Community

Güldane Tokyürek (Die Linke) schilderte den jüngsten Überfall vermutlich der türkischen Nationalisten „Grauen Wölfe“ auf einen Infostand der Kalker LINKEN in Köln-Ostheim. Offensichtlich ist die Unsicherheit unter den Aleviten, Kurden, Armeniern, aber auch türkischen Bürgern, die Erdogan kritisieren, sehr groß. Die im Publikum anwesende Landtagsabgeordnete Berivan Aymaz (Die Grünen) ergriff das Wort und berichtete über ihre kleine Anfrage an den Verfassungsschutz in NRW, ob die Behörde die Aktivitäten der türkischen Ultranationalisten wie die „Grauen Wölfe“ überwache. Die erhaltene Antwort viel negativ aus, man beobachte aktuell nur Aktivitäten im Zusammenhang mit der Gülen-Bewegung im Bundesland.
05.09.2017, Alexander Litzenberger
Infos über die Aleviten in Deutschland auf Wikipedia:
Die Alevitische Gemeinde Deutschland (türkisch: Almanya Alevi Birlikleri Federasyonu, Abk.: AABF) ist der Dachverband der alevitischen Gemeinden in Deutschland. Der Bundesvorsitzende ist Hüseyin Mat. Sie vertritt die in ihr organisierten Aleviten, welche die zweitgrößte Religionsgemeinschaft nach dem sunnitischen Islam innerhalb der konfessionell gebundenen türkeistämmigen Migranten in Deutschland bilden. Der Verband wurde 1989 gegründet und gab sich am 31. März 1998 ein neues Programm. Die Alevitische Gemeinde Deutschland, eingetragener Verein mit Sitz in Köln, ist in Landesvertretungen und Gemeinden auf Stadt- und Gemeindeebene organisiert. Sie umfasst rund 150 Ortsgemeinden in Deutschland. Der Verband ist Mitglied der Europäischen Union der Alevitischen Gemeinden (Avrupa Alevi Birlikleri Konfederasyonu; Abk. AABK). Die Jugend wird vertreten durch den Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland. Im Jahr 2012 schloss sich die Alevitische Gemeinde Deutschland dem Aktionsbündnis Umfairteilen an. Im August 2013 würdigte Bundespräsident Joachim Gauck in Berlin das Engagement der Alevitischen Gemeinde. Die AABF stellt berufene Vertreter bei der Deutschen Islamkonferenz und dem Integrationsgipfel der Bundesregierung. Weiterlesen.









