„Der große Immobilienboom lässt nach“

Die Preise für Häuser und Wohnungen gehen in Köln durch die Decke. Gibt es dennoch Unterschiede je nach Bezirk? Chorweiler Panorama hat mit einem Experten gesprochen.

Herr Citak,  gibt es Unterschiede auf dem Immobilienmarkt zwischen dem Kölner Norden und den anderen Teilen der Domstadt?
H. Citak: Definitiv. Im Prinzip ist es so, dass der Kölner Norden bei weitem noch nicht so beliebt ist, wie die Innenstadt oder der Kölner Süden. Das gilt aber nicht für alle Stadtteile. Es gibt gravierende Unterschiede im Norden. Da muss ich leider sagen, dass gerade der Stadtteil Chorweiler selbst den geringsten Status hat. Er wird durchgehend als „Einfache Lage“ klassifiziert. Dabei liegt die Eigentumsquote im Stadtteil bei ca. 20%, Köln-weit liegt sie bei 30%. Chorweiler hat wegen den Hochhäusern etc. ein großes Imageproblem. Als man ihn in den 70-ern baute, wurde Chorweiler von der Politik und den großen Wohngesellschaften als „Heilmittel“, als „Wohnraum für Menschen“ gepriesen.

 … in dem bis zu 100-Tausend Personen wohnen sollten.
H. Citak: Genau. Das ist leider nicht ganz so gekommen. Im Prinzip ist es immer so, dass die Stadtteile, wo man Wohnungen günstig und einfach in großer Zahl anmieten kann, dafür prädestiniert sind, für Externe Zuzugsgebiet Nr. 1 zu sein. Aktuell lassen sich viele Geflüchtete in den günstigen Häusern in Chorweiler nieder. Dort ist auch ein anders Klientel zu finden, – diejenigen, die schon lange keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Das ist so ein Punkt, wo es Schwierigkeiten für den Stadtteil gibt. Wenn das äußere Erscheinungsbild der Hochhäuser schon so marode wirkt, dann kann man sich vorstellen, dass ein gutverdienender Akademiker dort nicht unbedingt wohnen möchte. Da gilt das Prinzip „Gleich und Gleich gesellt sich gern“. Es gibt interessante Studien, z.B. vom Sinus Institut über Wohnmilieus, die besagen, dass die Nachbarschaft zwischen Gutverdienern und Harz IV-Empfängern nicht gut funktioniert. Deswegen soll man etwas für die Änderung der sozialen Situation in s.g. „Problem-Vierteln“ tun, bevor man in die anderen Maßnahmen zur Aufwertung des Wohnorts investiert. [blockquote font=”2″ align=”right” pull=”yes” italic=”yes”] Im Durchschnitt sind das 2000,- EUR/qm Unterschied zwischen Chorweiler und Fühlingen. [/blockquote] Aber ähnliche Lagen gibt es auch woanders. Zum Beispiel in dem sehr beliebten Bezirk Rodenkirchen im Süden gibt es Meschenich und dort den Stadtteil Kölnberg, der auch als „Problemviertel“ gilt. Oder Finkenberg in Porz, auch in einem sehr heterogenen Stadtbezirk.

Im Bezirk Chorweiler gibt es 12 Stadtteile, die unterschiedlicher nicht sein können. Spiegelt sich das in den Immobilienpreisen wider?
H. Citak: Wenn man auf der Skala von 1 bis 12 die Stadtteile bewertet, dann ist Chorweiler leider ganz unten. In der entgegengesetzten Richtung befindet sich Fühlingen. Das sehen wir auch am Beispiel der Immobilienpreise.

Welche Kriterien legen Sie außerdem zugrunde? Chorweiler ist z.B. verkehrstechnisch bestens angebunden, was man von Fühlingen nicht behaupten kann.
H. Citak: In der Tat hat Fühlingen, infrastrukturell gesehen, mehr Mankos als Chorweiler. Allerdings ist Fühlingen in ein Naherholungsgebiet Fühlinger See „eingebettet“, hat viel Grünflächen. Zum anderen ist die Wohnbebauung hier vielfältig: Einfamilienhäuser, Reihenhäuser, ehemalige Gutshäuser, die aufwendig saniert wurden, denkmalgeschützte Gebäude. Und die Menschen, die nach Fühlingen ziehen, wollen sich ein bisschen besser fühlen, das ist wieder das Prinzip der Wohnmilieus  „Gleich und gleich…“. Dementsprechend sind die Immobilienpreise hoch. Die günstigste Wohneinheit in Fühlingen kostete im letzten Jahr 3.400 Eur pro Quadratmeter (gm), die teuerste 4.300 Eur/qm. In Chorweiler konnte man die günstigste Immobilie bereits für 1.130,- Euro/qm erwerben, die teuerste kostete 1.900,- Euro/qm. Im Durchschnitt sind das 2000,- EUR/qm Unterschied zwischen zwei Stadtteilen.
Man kann also nicht immer behaupten, die Infrastruktur sei das Ausschlaggebende. Vielmehr spielt auch das Wohnumfeld, der soziale Status der Gegend eine Rolle. Auf dem zweiten Platz rangiert Heimersdorf mit seiner U-Bahn-Station und dem Einkaufszentrum.

In Chorweiler-Nord befinden sich durchaus ansehnliche Einfamilienhäuser. Gelten die von Ihnen genannte Preise auch für diese Gegend?
H. Citak: Nein, die eben genannten Preise sind Durchschnittspreise. Es ist schwierig per Ferndiagnose nach einzelnen Straßenzügen die Preise zu ermitteln. Das machen wir, wenn wir einen konkreten Auftrag bekommen.

Sie haben in den letzten Jahren den s.g. „Immobilien Marktbericht Köln-Nord“ mit den jeweils aktuellen Angebots- und Verkaufspreisen für Eigentums- sowie die Mietpreise von Mietwohnungen in den Kölner Stadtbezirken Chorweiler und Nippes herausgegeben. Gibt es auch die Ausgabe 2017?
H. Citak: Nein, für das letzte Jahr haben wir den Marktbericht wegen Zeitmangel nicht aufgelegt. Für das Jahr 2018 wird es eine Auflage kurz nach den Sommerferien geben. Künftig wollen wir den Bericht alle zwei Jahre auf den Markt bringen.

[blockquote font=”2″ align=”right” pull=”yes” italic=”yes”]In manchen Gegenden fallen sogar die Preise bis zu 3%. Daher meine ich: Der große Immobilienboom lässt nach.[/blockquote]

Im Netz gibt es ja auch Informationen, die automatisiert zusammengetragen werden.
H. Citak: Wir haben eine solide Datenbasis, in der nicht nur die Angebotspreise, sondern auch die tatsächlichen Verkaufspreise erfasst sind. Und wir stellen fest, dass viele Immobilien viel zu teuer angeboten werden und dann wird der Preis mit der Zeit stufenweise nach unten gedrückt. Diese Entwicklung sieht man als Laie nicht direkt.

Im Bezirk Chorweiler gibt es Stadtteile wie Esch, Pesch, Seeberg, Heimersdorf, die mehr ältere Bevölkerung haben, als die anderen. Ist da in der letzten Zeit stärkere „Rotation“ der Immobilienbesitzer zu beobachten?
H. Citak: Ja, auf jeden Fall. Ich nehme als Beispiel Esch. Hier leben vergleichsweise viele Rentner, mehrere Immobilien sind aus den 50er und 60er Jahren, die teilweise nicht auf dem neuesten Stand sind. Der Unterhalt dieser Immobilien, – laufende Reparaturen, Gartenpflege etc. -, ist für alleinstehende oder gar pflegebedürftige Senioren ziemlich anstrengend. Deshalb interessieren sich viele solcher Hausbesitzer immer mehr für kleinere, barrierefreie Wohnungen. Und die Hauptkäufer ihrer Immobilien sind dann Familien im Alter zwischen 30 und 45 Jahren, mit einem oder zwei Kindern.

Sind denn die Immobilien im Kölner Norden noch erschwinglich für Familien?
H. Citak: Klar. In Nippes bekommt man kein Reihenhaus unter 600.000 Euro. Ein Kunde von uns hat zwei Jahre lang intensiv ein Haus in Longerich gesucht. Danach hat er gemerkt „Hei, mein Budget von ca. 500 Tsd. Euro gibt es nicht her.“ Für das Geld bekommt man in Longerich keine Immobilie. Dann hat er 1,2 Kilometer in Richtung Heimersdorf geschaut und fand eine ganz tolles Anwesen für 370 Tausend und war glücklich.
So handeln heute, in Zeiten sehr teurer Immobilien in der Innenstadt, viele Käufer. Sie nehmen 20-30 Minuten Anfahrtszeit mehr zum Arbeitsplatz in Kauf, dafür sparen sie in den äußeren Stadtteilen Kölns unter Umständen einige Hunderttausend Euro. Somit rückt der Bezirk Chorweiler in den Focus von Besserverdienern.

Man merkt zum Beispiel, wie in Seeberg alte Bungalows gekauft, aufgestockt und aufwändig renoviert werden.
H. Citak: Genau, das führt natürlich zur Aufwertung des Stadtteiles. Und es zieht dann natürlich auch andere Käufer an.

Durch das knappe Angebot auf dem Immobilienmarkt hat man den Eindruck, dass die Verkaufszeit der Immobilien sehr kurz geworden ist. Stimmt das?
H. Citak: Nach unserer Beobachtung ist es nicht so. Der große Immobilienboom hat nachgelassen. 2008 konnte man im Kölner Norden ein Reihenhaus für 220 Tsd. bis 250 Tsd. Euro kaufen. Und 2017 kostete so ein Haus durchschnittlich schon 350-380 Tsd. Euro. Nach meiner Beobachtung hat die Nachfrage nach Immobilien schon Ende 2016 abgenommen. Und die Vermarktungsdauer hat zugenommen. 2016/17 konnte eine Immobilie vier Wochen nach dem Vermarktungsbeginn beurkundet werden. Mittlerweile brauchen wir dafür schon zwei bis drei Monate. Obwohl wir noch mehr Energie in den Verkauf investieren. In Köln hat man in letzten Jahren ca. 10.000 Häuser, Wohnungen, Grundstücke etc. verkauft. 2017 waren es nur noch 8.600 Immobilien. Ein Rückgang innerhalb eines Jahres um 12%! Es kann zwei Erklärungen geben: Entweder stehen dem Markt weniger Objekte zur Verfügung, oder, meine These, die Nachfrage nach Immobilien nimmt ab, weil viele nicht mehr bereit sind jeden Preis zu bezahlen. Es hat auch damit etwas zu tun, dass die Kreditvergabe verschärft wurde.
Und noch etwas: Zwischen 2008 und 2016 gab es in Köln eine jährliche Preissteigerung von 5 bis 8% bei den Immobilienverkäufen. Und 2016 bis 2018 haben wir eine Preissteigerung für Immobilien im Kölner Norden von nur noch 2%. Und der Wert geht weiter nach unten. In manchen Gegenden fallen sogar die Preise bis zu 3%. Daher meine ich: Der große Immobilienboom lässt nach.

Demnächst soll in Weiler kräftig gebaut und der Stadtteil Kreuzfeld neben Blumenberg rückt wieder in den Fokus. Werden die Maßnahmen die Anspannung auf dem Markt der Mietwohnungen lockern?
H. Citak: Laut einer Studie erfährt Köln bis 2030 einen Zuwachs von 100 Tsd. Einwohnern. Mal angenommen, das Projekt Kreuzfeld wird verwirklicht. Das sind aber nur zwei bis drei Tausend Wohneinheiten, wo maximal sechs Tausend Menschen untergebracht werden können. Wir erwarten aber 100 Tausend Menschen. Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Stadt Köln hat 76 Baugrundstücke identifiziert, auf denen sich bis zu 50 Tausend Wohneinheiten realisieren lassen. Es ist aber fast immer mit starkem Widerstand der Anwohner zu rechnen, was der Stadt einen Strich durch die Rechnung machen kann.
Allerdings liegt zwischen Worringen und Chorweiler eine riesengroße „weiße“ Fläche. Und da sehe ich noch große Potenziale für den Wohnungsbau schlummern. Das würde aber bedeuten, dass die Infrastruktur im Kölner Norden deutlich verbessert werden muss. Ich bin der Meinung, dass all diese Stadtteile an das Kölner Straßenbahn-Netz angeschlossen werden müssen.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Hakan Citak (44) ist Inhaber der Citak Immobilien e.K. mit Sitz in Köln-Nippes. Er machte eine Ausbildung zum Zimmerer, studierte Architektur und Facility Management und Immobilienwirtschaft. Seit März 2008 ist er selbständiger Immobilienmakler mit dem Schwerpunkt Kölner Norden. Weitere Infos auf der Firmen-Website.

26.06.2018, Das Gespräch führte Alexander Litzenberger
Skizze und Portrait: Citak Immobilien e.K.

Titelfoto: Fühlingen ist der attraktivste Stadtteil für Immobilienkäufer im Bezirk Chorweiler.

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