Mattis Dieterich (20) studiert Rechtswissenschaften an der Universität Köln, wohnt in Fühlingen und leitet seit Ende des letzten Jahres als SPD-Vorsitzender die Geschicke der Partei im Bezirk Chorweiler. Die Corona-Zeit und die internen Machtkämpfe haben seinen Start etwas erschwert. Wir haben mit ihm über die Rolle der SPD im Bezirk, die personelle Neuausrichtung in der Führungsriege der Sozialdemokraten im Bezirk und über den aktuellen Wahlkampf gesprochen.
Das Interview mit dem Stellevertretenden Vorsitzenden der CDU im Bezirk Chorweiler Thomas Welter erscheint in den kommenden Tagen.
CP. Sie sind seit ca. acht Monaten Vorsitzender der SPD in Chorweiler. Wie war diese Zeit für Sie?
Natürlich sehr aufregend. In den letzten Jahren hatten wir keine leichte Zeit und haben deswegen an vielen Stellschrauben gedreht. Wir haben die Zukunftsthemen für den Bezirk, die wir in den kommenden Jahren angehen und bei der Kommunalwahl deutlich machen wollen, stärker in den Fokus gerückt und diese in einem umfangreichen Wahlprogramm für den Kölner Norden aufgeschrieben. Und natürlich stand mit der Aufstellung der Kandidierenden und den Wahlkampfplanungen die Vorbereitung auf die Kommunalwahl im Vordergrund.
CP. Sie waren früher bei den Jusos, nun stehen Sie an der Spitze des gesamten Verbandes im Kölner Norden und haben nun mit Genossinnen und Genossen jeglichen Alters zu tun. Wie gehen Sie auf die Menschen zu?
Ich bin ein Mensch, der den direkten Kontakt zu anderen Menschen liebt und finde es gerade wichtig, dass man sich über persönliche Gespräche und Besuche einen Eindruck von den politischen Problemen vor Ort verschafft. Wer schon mal mit seiner Buslinie am Busbahnhof in Chorweiler angekommen ist und trotz eines kleinen Sprints die Bahn nicht erwischt hat oder von Menschen hautnah die Folgen des Wegfalls der Notfallpraxis geschildert bekommen hat, der bekommt ein ganz anderes Gespür für diese Probleme. Deshalb sind die Einschränkungen durch Corona besonders schmerzlich, weil der direkte Austausch in den letzten Wochen nicht richtig stattfinden konnte. Schon im Vorfeld unserer Wahl im Bezirk habe ich viele Gespräche in der Partei gesucht. Seit der Wahl versuchen wir den Austausch in der Partei, aber gerade auch mit den Menschen und Vereinen vor Ort zu intensivieren. So habe ich mich unter anderem mit dem Bürgerverein in Merkenich wegen der Rheinbrücke ausgetauscht, mit Menschen in Fühlingen über die Probleme rund um den Fühlinger See gesprochen oder auch mit Bewohnern von Esch und Pesch über die mangelnde Anbindung an das Kölner Bus- und Bahnnetz gesprochen.
CP. In der letzten Zeit bekommt man widersprüchliche Signale von der SPD im Bezirk: Zum einen wird Geschlossenheit nach draußen kommuniziert, zum anderen verlassen einige altgediente SPD-Mitglieder und Funktionsträger die Partei. Wie kann man beides in Einklang bringen?
In den letzten Jahren fehlte es, ganz klar, an Geschlossenheit hier im Stadtbezirk, wodurch viele unserer Ideen und Aktionen gehemmt wurden. Deshalb gab es einen Auftrag bei der letzten Stadtbezirkskonferenz, auf der wir unseren Stadtbezirksvorstand neu gewählt haben, uns neu aufzustellen und einen Aufbruch zu wagen. Alle Kandidierenden wurden vom gesamten Stadtbezirk getragen. Das war ein klarer Auftrag an den Themen für den Kölner Norden zu arbeiten und mit einem neuen Team ein anderes Klima zu etablieren. Wir haben ein extrem motiviertes Team mit einem starken Zusammenhalt. Wenn Menschen keine Mehrheiten haben, dann muss man das akzeptieren. Und wenn einige Menschen daraus ihre Konsequenzen ziehen, dann ist das so. Wir sollten uns aber nicht mit der Vergangenheit beschäftigen. Wir wollen uns auf die Themen für den Kölner Norden konzentrieren und das Leben der Menschen im Kölner Norden verbessern.
CP. Im Gespräch mit unserer Redaktion haben beide SPD-Mitglieder, die die Partei in der letzten Zeit verlassen haben, dem Vorstand vorgeworfen, die bestehende Struktur mit den Ortsverbänden durch eine bezirksweite Organisationsform ersetzen zu wollen. Ist die Kritik berechtigt?
Die Kämpfe zwischen Ortsverbänden und den darin handelnden Personen waren genau das Problem, weswegen es in den letzten Jahren an Geschlossenheit mangelte. Auch das war ein Auftrag an den neuen Vorstand, mehr Sachen gemeinsam zu organisieren. Wir treffen alle Entscheidungen in Absprache mit den Ortsverbänden, aber es gibt viele Fragen, die für den ganzen Stadtbezirk beantwortet werden müssen. Deswegen haben wir uns überlegt, wie wir alle Veedel repräsentieren können. Daraus hat sich ein ganz neuer Spirit gebildet, der durch die Wahl des neuen Vorstandes klar bestätigt wurde.
CP. Der SPD-Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters Andreas Kossiski kommt ja aus dem Kölner Norden. Sollte er die Wahl gewinnen, wird er sich um die gesamte Stadt kümmern müssen. Kann dann der Bezirk Chorweiler dennoch davon profitieren, dass er den Wahlbezirk im Kölner Norden schon viele Jahre gut kennt?
Wenn Andreas Kossiski neuer Bürgermeister im September wird, dann haben wir als Kölner Norden einen ganz anderen Rückhalt im Rathaus. Wir haben in den letzten Jahren bei vielen wichtigen Themen leider nicht die nötige Durchschlagskraft gehabt. Und seitens Frau Reker gab es im Kölner Norden keine wirklichen Bestrebungen etwas zu verändern.
CP. Hier, im Kölner Norden, haben wir nicht nur diese infrastrukturellen Probleme. Es sind auch viele andere Dinge, die den Menschen in den Außenbezirken das Gefühl geben, von der Stadt abgehängt zu sein: Hier gibt es kein Carsharing, fast kaum öffentliches WLAN, keinen E-Scooter-Verleih, kaum günstige Fitnessstudios, sehr wenig Gastronomie, sehr wenige Ladestationen für das Elektroauto etc.
In der Tat haben viele Menschen hier das Gefühl, dass in den Köpfen vieler Kölner die Stadt am Militärring aufhört. Aber nach dem Militärring folgt noch ein ganzer Stadtbezirk! Genau das betonen wir bereits seit Jahren. Das entscheidende aber ist: Wir brauchen einen Kölner Norden, der mit einer Stimme spricht und sich gemeinsam für mehr Kita- und Schulplätze, eine Verbesserung der Verkehrsanbindung und eine bessere ärztliche Versorgung einsetzt. Wir brauchen aber auch im Rathaus einen anderen Rückhalt für den Kölner Norden. Da wäre Andreas Kossiski, wie gesagt, eine große Chance, weil er die ganze Stadt im Blick hat und die richtigen Antworten auf die Fragen der Zukunft liefert.
CP. Auf der lokalen Ebene werden oft ganz pragmatische Bündnisse geschmiedet, über die Parteigrenzen hinweg. Dennoch: Was unterscheidet die SPD von ihrem Rivalen CDU auf der Bezirksebene?
Ich sehe da deutliche Unterschiede. Der Wohnungsbau ist für uns gerade das wichtigste Thema, weil es bei dieser Frage um den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt geht. Wenn sich nur noch bestimmte Bevölkerungsgruppen eine Wohnung oder ein Haus in dieser Stadt leisten können, dann wird dieser Stadt ein erheblicher Teil fehlen. Gerade Köln lebt von seiner Toleranz und seiner Vielfalt. Ich sehe bei den anderen Parteien aus den verschiedensten Gründen wenig Anstrengungen dieses Thema anzugehen. Für uns ist klar – wir brauchen viele öffentlich geförderte Wohnungen und dürfen einen Anstieg des Mietspiegels nicht weiter hinnehmen.
Die Veränderungen im Bezirk, die nach und nach passieren, haben wir durch unseren Einsatz auf allen Ebenen ermöglicht. Von Anfang an haben wir uns für den Kauf der zwangsverwalteten Hochhäuser durch die GAG stark gemacht, die in den kommenden Jahren durch einen großen Zuschuss des Landes saniert werden, während man bei einigen Parteien lange um Unterstützung ringen musste. Mit dem Umbau der Plätze in Chorweiler und der Weiterentwicklung von Lindweiler in den letzten Jahren haben wir weitere große Veränderungen angestoßen. Diese Projekt tragen alle eine SPD-Handschrift. Wir wollen, dass alle Menschen im Kölner Norden gut leben können!
CP. Bleiben wir beim Thema Wohnungsbau. Gerade aus der SPD kommen in der letzten Zeit vermehrt Stimmen, die den Bau von Hochhäusern fordern. Gilt das auch für den Stadtteil in Planung – Kreuzfeld?
Ich glaube es ist klar, dass wir in Kreuzfeld keine Hochhäuser, wie in der Innenstadt, bauen können, weil wir hier eine ganz andere Siedlungsstruktur haben und die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigen müssen. Aber wir haben einen erheblichen Bedarf an bezahlbarem Wohnraum! Entscheidend ist, dass wir eine Mischung haben. Wir brauchen einen Stadtteil, der vielfältig ist, in dem die Infrastruktur noch vor dem Einzug der Menschen vorhanden ist: Der Bahnanschluss, die Busanbindung, die Schul- und Kitaplätze, ein Gesundheitscampus und die Freizeitmöglichkeiten müssen geklärt und zeitnah entschieden werden.
Es soll also eine Mischung aus verschiedenen Gebäudetypen sein. Wir brauchen uns hierbei nicht an einem anderen Stadtteil zu orientieren, weil wir in Kreuzfeld einen Stadtteil komplett neu planen und dabei muss natürlich die Frage gestellt werden, wie der riesige Mangel an bezahlbarem Wohnraum auch durch Kreuzfeld reduziert werden kann.
Den bezahlbaren Wohnraum braucht man übrigens nicht nur in den äußeren Stadtbezirken, sondern gerade auch in der Stadtmitte. Es kann nicht sein, dass die Studierenden bald nach Chorweiler, Kalk, Rodenkirchen und Mülheim pendeln müssen, obwohl die Uni in Sülz steht oder die Mitarbeiterinnen der Stadtwerke weite Wege fahren müssen, um zu ihrer Arbeit zu kommen. Die SPD macht sich mit einem Oberbürgermeister Andreas Kossiski so stark für den bezahlbaren Wohnraum, wie keine andere Partei.
CP. Vielen Dank für das Interview!
Das Interview hat Alexander Litzenberger geführt.