„Wir sind hier, wir sind laut“

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Die Neusser Straße ist weit über Kölns Grenzen hinaus eine bekannte und beliebte Einkaufsstraße, besonders samstags ist sie richtig voll. Unzählige Cafés, Kneipen, Geschäfte locken tausende Menschen an. Es ist laut hier, der Verkehr ist typisch Großstadt – dicht und chaotisch. Am 29. Januar gehörte jedoch während drei Stunden die ganze Aufmerksamkeit der Menschen in Nippes dem Kölner Norden. Knapp vierhundert Menschen jeden Alters aus dem Bezirk Chorweiler zogen mit Sprechchören, Trillerpfeifen und hupenden Traktoren durch die bunten Viertel, um gegen den Bau der Klärschlammverbrennungsanlage (KVA) in Merkenich zu demonstrieren.

Seit knapp einem Jahr setzt sich der Bürgerverein Merkenich dafür ein, den Bau der Anlage zu verhindern. In den letzten Monaten hat er sich breite Unterstützung der anderen Bürgervereine im Kölner Norden gesichert, – es wurde die Initiative Kölner Norden geboren. Die Initiative machte per Internet und Soziale Medien auf sich aufmerksam, trat in Kontakt mit der Politik. Um den Druck zu erhöhen, beschloss die Initiative eine Demo in der Kölner Innenstadt zu veranstalten.

Zu Beginn der Aufstellung in der Sackgasse Nippeser Tälchen, um 10:30 Uhr am Samstag, gab es etwas Irritation über ein Mitglied der Grünen Partei, das vermeintlich versucht haben soll, Flyer mit Argumenten für den Bau der KVA unter den Demonstranten zu verbreiten. Die Organisatoren haben dieses, nach Absprache mit der Polizei, per Megafon untersagt.
Der Einsatzleiter der Polizei hat daraufhin die Verantwortlichen kurz an die Auflagen erinnert: Die Kolonne soll im Schritttempo laufen, es muss für Abstand und Maskentragen gesorgt werden, die Teilnehmer müssen konzentriert im Zug laufen und dürfen keine Flyer an die Passanten verteilen. Dann ging es gegen 11.00 Uhr in Richtung Ebertplatz los. Die gesamte Route, die wieder am Ausgangspunkt endete, war ca. 5 Kilometer lang. Der Himmel war grau, es blieb aber trocken.

Die Kolonne haben Mitglieder der Musikgruppe Merkenicher Musketiere von 1978 e.V. angeführt, die alle gleiche rotfarbige Jacken trugen. Hinter ihnen formierten sich Demoteilnehmer aus mehreren Stadtteilen des Kölner Nordens, darunter auffällig viele Familien mit Kindern. Ausgestattet mit Plakaten und Transparenten wie „Uns Stinkts!“, „Keine Klärschlammverbrennung in Köln!“, „Stoppt die Scheiße in Köln!“, „Klärschlamassel in Köln“ oder „Umweltschutz statt Profitgier“, füllten die Demonstranten die Neusser Straße auf einer Länge von gut 300 Metern. Unter ihnen befanden sich auch mehrere lokale Politiker von CDU, SPD und Die Linke aus dem Bezirk Chorweiler.

„Bewohner von Merkenich, Walther Sönke (links) und Matthias Hubrich (Mitte) fragen, warum keine Alternativen zum Standort Merkenich ernsthaft diskutiert werden und warum man nicht auf andere Methoden als die Verbrennung setzt.

Anwohner lehnten sich aus den Fenstern heraus, Passanten hielten an, zückten ihre Smartphones, um Videos von der Demo zu machen. Cafégäste und Ladenverkäufer kamen an die Türen, um das bunte Treiben anzuschauen. Manche hielten den Zug scherzhaft für eine Karnevalsprozession, andere meinten, es wäre eine Klimademo. Vereinzelt gab es Applaus für die Demonstranten. Autofahrer an den vorübergehend von der Polizei gesperrten Seitenstraßen warteten geduldig, bis der Zug vorbei war. Gleichgültig ist wohl niemand geblieben. Dafür sorgten auch laute Sprüche per Megaphon „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Luft versaut!“ oder „Hier ist der Kölner Norden, wir haben die Schnauze voll!“.

Zum Schluss der Demonstration gegen 13:30 Uhr, hieß es von der Polizei, die Veranstaltung sei ohne Zwischenfälle verlaufen, die Teilnehmer hielten sich an die Auflagen. Die Organisatoren meinten, wenn nötig, würde es weitere Demos dieser Art geben. “Wir sind alle mega glücklich, dass so viele Leute nicht nur aus Merkenich, sondern aus vielen Veedeln gekommen sind.” – sagte zum Schluss eine der Organisatoren Helga Wagner- “Wir haben ein Zeichen gesetzt und werden weiter machen.”

Alexander Litzenberger

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