Kreuzfeld – das Tal der vielen Hoffnungen

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Das wichtigste Mantra der Immobilienmakler schlicht hin ist die einfache Formel „Lage, Lage, Lage“. Man kauft oder mietet schließlich eine Immobilie nicht jedes Jahr. Sie soll möglichst zu mehreren Lebenslagen passen, man achtet auf die Bevölkerungsstruktur, den Straßenlärm, die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, gute Infrastruktur bezüglich Schulen, Kindergärten, Gastronomie oder Freizeitmöglichkeiten. Entscheidend kann auch das Image des Viertels sein. Je weiter man sich vom Stadtzentrum entfernt, desto mehr Abstriche muss man üblicherweise machen. Die Stadt Köln ist keine Ausnahme. Die Bewohner des Bezirks Chorweiler beschweren sich zum Beispiel seit langem über die schlechte Infrastruktur. Das soll sich in absehbarer Zukunft ändern, zumindest für die Stadtteile um Blumenberg herum. Das Zauberwort heißt „Kreuzfeld“.

Weg frei für Kreuzfeld

Am 12. Dezember 2019 hat der Kölner Stadtrat einen Beschluss „… über die Planung und Durchführung eines Wettbewerblichen Dialogverfahrens gemäß § 119 Abs. (6) GWB und § 18 VgV sowie der anschließenden integrierten Planung zur Entwicklung eines städtebaulichen Masterplans auf Grundlage des Leitbildes Kreuzfeld – Ein gutes Stück Köln sowie Beschluss über die Beauftragung eines verfahrensbegleitenden Moderationsbüros und Beschluss über die Vergabe von Gutachten hier: Bedarfsfeststellung“ gefasst, die einen historischen Wendepunkt in der langen Vorgeschichte von Kreuzfeld markiert. Ab jetzt muss die Stadt handeln.

Zeichnung: Stadt Köln

2019 haben die Stadtverwaltung und die Politik mehrere Vorbereitungen getroffen, die in das Leitbild unter dem Motto „Den Stadtteil VERNETZEN, BILDUNG fördern, für GESUNDHEIT sorgen“ eingeflossen sind. Und so stellt man den Stadtteil vor: „Im Norden von Chorweiler, angrenzend an den Stadtteil Blumenberg, werden wir in den kommenden Jahren einen neuen Stadtteil schaffen: einen Ort mit vielfältigen Angeboten, nicht nur für die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner. Auf einer Fläche von circa 47 Hektar können 2.200 bis 3.000 Wohneinheiten, aber auch neue Arbeitsplätze entstehen.“ Und weiter: „Ziel ist, einen neuen, attraktiven und vernetzten Stadtteil im Kölner Norden zu schaffen, der neue Angebote auch für den gesamten Stadtbezirk Chorweiler setzt. Es soll ein tragfähiger Nutzungsmix aus innovativen und inklusiven Wohnformen, Arbeit, Bildung, Kultur und sozialer Infrastruktur sichergestellt werden. Ebenso wird eine zukunftsfähige Mobilitätsstruktur unter Berücksichtigung der Belange von Freiraum und Klima entstehen. Es gilt, einen Städtebau für Kreuzfeld zu entwickeln, der die Bebauungstypologie, die Verortung der Nutzungen, Freiflächen und öffentlichen Räume sowie die Integration von Kultur- und Bildungsbausteinen zu einem attraktiven Stadtteil zusammenführt.“ (Quelle: www.stadt-koeln.de).

Am 21. September 2019 präsentierte die Stadt Köln in Blumenberg den Leitbildentwurf Kreuzfeld.

Entsprechend ist die Erwartungshaltung in der Bevölkerung und der lokalen Politik in Bezug auf Kreuzfeld sehr hoch. Dies haben die ca. 160 Teilnehmer des am 21. September 2019 in Blumenberg stattgefundenen öffentlichen Forums, das sich mit dem Leitbildentwurf beschäftigte, eindrucksvoll bewiesen. Die Wunschliste reicht von Spielplatz bis zur Anbindung an die Autobahn A57. Es wird keine leichte Aufgabe für die Architekten und Stadtplaner sein, die Wünsche der Bevölkerung und die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Stadt Köln, des Kölner Nordens und der Wohnwirtschaft unter ein Dach zu bringen. Schon jetzt wird in unmittelbarer Nähe zum künftigen Kreuzfeld intensiv gebaut oder die Planungen sind ganz konkret: In Weiler soll eine neue Siedlung mit ca. 390 Wohneinheiten entstehen, in Chorweiler-Nord (Swinestraße) sind 245 Wohnungen (60% öffentlich gefördert) beinahe fertig, 2020 wird die GAG 87 öffentlich geförderte Wohnungen in Chorweiler-Nord bauen, in Roggendorf/Thenhoven (Baptiststraße) sollen ca. 140 Wohneinheiten entstehen.

Noch sind viele Fragen offen.

Die rekordverdächtige Dimension

Zeichnung: Stadt Köln

Schon 1982 wurde das Areal Kreuzfeld im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche ausgewiesen. Als Blumenberg sich noch im Bau befand, wurde 1993 ein Wettbewerb für Kreuzfeld ausgeschrieben. Das Ergebnis war ein Plan den Stadtteil als Spiegelbild von Blumenberg zu errichten. Der Bebauungsplanentwurf von 2005 sah 550 Einfamilienhäuser und 1.550 Geschosswohnungen für insgesamt 5.000 Bewohner vor.

Das neue Leitbild von 2019 erweitert den Spielraum der Stadtplaner erheblich: Auf einer Fläche von circa 47 Hektar können 2.200 bis 3.000 Wohneinheiten und auch neue Arbeitsplätze entstehen. Statt 5.000 Bewohner hält man bis zu 9.000 Bewohner für vertretbar. Dazu sollen Kitas, Schulen, eventuell ein Hochschulcampus und ggf. ein Ärztezentrum hinzukommen.

Grafik: chorweiler-panorama.de

Bei der Maximalforderung kommt man rein rechnerisch auf eine Bevölkerungsdichte von ca. 18. 000 Personen pro Quadratkilometer. Dies dürfte ein einsamer Spitzenwert in Köln sein. Weit abgeschlagen kommt dann Neustadt-Süd mit 13.674 Einwohnern je Quadratkilometer auf den zweiten Platz (Quelle: www.stadt-koeln.de). Ob das nun ohne Hochhausbau realisierbar ist? Denn Hochhäuser sind im Kölner Norden ein sehr umstrittenes Thema.

Rot eingezeichnet sind Flächen, die nach den Plänen der Stadt Köln in den neuen Bebauungskonzept einbezogen werden sollen. Drohnenbild: Rheinhard Peifer

Im Gegensatz zum alten Plan erweitert die Stadt Köln die zu bebauende Fläche um das Areal, das aktuell noch Blumenberg zugerechnet wird: Die Fläche an der Grundschule in der S-Bahn-Trasse im Norden des Stadtteils und dann an der westlichen Grenze bis hin zum Skatepark im Süden. Dies entspricht dem Wunsch vieler Blumenberger und lokaler Politiker nach einem nahtlosen Übergang zwischen Blumenberg und Kreuzfeld, ändert aber stark den grünen Charakter des Stadtteils.

Trotz Klimanotstand in Köln: Müssen eventuell mehrere Hektar Wald in Blumenberg sterben?

Zwei Hektar Wald an der Grundschule und gegenüber dem Seniorenheim Lazarus Haus stehen also aktuell zur Disposition. Was daraus letztendlich gemacht wird, ist natürlich zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss. Als die Bezirksvertretung Chorweiler 2016 die Fläche neben der Grundschule als Vorschlag für den Wohnungsbau ins Gespräch gebracht hat, gab die Stadtverwaltung eine ablehnende Beschlussempfehlung ab. Die Begründung: „Der Grundstücksbereich ist im bestehenden Bebauungsplan als Fläche für den Gemeinbedarf / Jugendeinrichtung, als öffentliche Grünfläche mit den Zweckbestimmungen Spiel- u. Bolzplatz sowie als Fläche mit Bindungen für Bepflanzungen und die Erhaltung von Bäumen u. Sträuchern festgesetzt. Auf der Fläche ist erheblicher Baumbestand vorhanden. Eine Änderung des Bebauungsplanes kann nicht in Betracht gezogen werden“. (Link  zum PDF-Dokument)

Der Wald an der Grundschule ist ein kleines Biotop. Foto: Luigi Aronica.
Für viele Vögelarten ist der Wald ein sicherer Zufluchtsort

Den neuen Plänen der Stadt zufolge wird auch der Baumbestand im westlichen bzw. süd-westlichen Blumenberg für die Baumaßnahmen in Betracht gezogen. Auch auf dieser Fläche wachsen zurzeit Hunderte Bäume.

Angesichts des Klimanotstandes in Köln erscheint die Reduzierung oder gar Vernichtung von mehreren Hektar gewachsenen Waldes, das vielen Vögeln, Kleintieren und Insekten Schutz und den Blumenbergern ein mildes Mikroklima und Sauerstoff spendet, höchst fraglich.

Busverbindung ist unerlässlich

In vielen Publikationen der Stadt Köln und in der Presse wird hervorgehoben, dass Blumenberg über eine S-Bahn-Station verfügt, deren nördlicher Ausgang sich schon auf der Seite vom künftigen Kreuzfeld befindet. Wie die Erfahrung von Blumenbergern zeigt, ist aber eine Bus-Anbindung in den Stadtteil hinein sehr wichtig. In Blumenberg gibt es viele Straßenzüge, die bis zu 800 Meter von der S-Bahn-Station entfernt sind,- Luftlinie wohlgemerkt. Ob das einer alternden Bevölkerung gerecht ist? Es kostete seinerzeit Bürgern und dem Bürgerverein IG Blumenberg e.V. viel Mühe, die Verlängerung der Bus-Linie 120 nach Blumenberg zu erkämpfen. Wenn Kreuzfeld gebaut wird, soll neben Auto, Rad und S-Bahn auch eine Bus-Linie vorgesehen werden, die den neuen Stadtteil mit Chorweiler und idealerweise mit angrenzenden Stadtteilen verbindet. Die sollen ja von der neuen Infrastruktur in Kreuzfeld profitieren.

Forderung der lokalen Politik: Mehrere Maßnahmen notwendig

Die Bezirksvertretung Chorweiler hat in ihrer Sitzung am 21.12.2019 dem Leitbild von Kreuzfeld zugestimmt und zugleich von der Stadtverwaltung gefordert, darin folgendes zu berücksichtigen:

  • Die Mercatorstraße ist für zusätzliche Nutzung durch Kreuzfeld nicht geeignet
  • Ggf. Ausbau, Verlegung oder „Umwidmung“ der Mercatorstraße
  • Derzeitige häufige Umfahrung des Stadtbezirks Chorweiler durch die S 11 abstellen
  • Trennung der Stadtteile Blumenberg und Kreuzfeld durch Mercatorstraße oder S-Bahnhof verhindern
  • Ausbau Blumenbergsweg mit Radweg und mit Anbindung an die A 57 (ggf. Vorfinanzierung wie bei der Verlängerung der Industriestraße)
  • Bessere ÖPNV-Anbindung durch die KVB (Bus) in Blumenberg und Kreuzfeld (Taktung sowie Verbindung in andere Stadtteile)-
  • Weitläufige Überdachung der S-Bahnhaltestelle Blumenberg, um eine Trennung von Blumenberg und Kreuzfeld zu verhindern
  • Erstellung eines Verkehrskonzeptes (Individualverkehr und ÖPNV)
  • Stärkere und aktive Einbindung der Bezirksvertretung in den Planungsprozess
  • Zukünftiger Wegfall der S 6 durch bessere Taktung der S 11 ausgleichen
  • Kreuzfeld als Siedlung mit gleichberechtigtem Verkehr ausweisen
  • Bildungscampus konkretisieren bzw. Konzepterstellung als stadtweiten Campus mit studentischem Wohnen
  • Festlegung der Obergrenze für Wohneinheiten als auch hinsichtlich der Anzahl der BewohnerInnen
  • Gesicherte Gesundheitsversorgung
  • Nutzerfreundlichere Gestaltung der S-Bahnhaltestelle Blumenberg als verbindendes Element

Nomen est omen*

Der Name „Kreuzfeld“ für den neuen Stadtteil hat sich zwar etabliert und hat einen historischen Bezug auf die Schlacht von Worringen, die sich 1602 auf dem Gelände ereignete, dennoch werden ab und zu Zweifel geäußert, ob der Name noch zeitgemäß und zum multikulturellen Umfeld passt. Im Umlauf ist auch die integrative Bezeichnung „Blumenberg-West“. Ob die Stadtplaner auch einen neuen Namen finden für „Den Ort nördlich von Blumenberg“, wie der amtierende Bezirksbürgermeister Zöllner „Kreuzfeld“ zu nennen pflegt?

Der Traum vom eigenen Fußballverein

Vor einigen Jahren gab es in Blumenberg die Bestrebung einen eigenen Fußballverein zu gründen. Das ist leider gescheitert, nicht zuletzt, weil es in Blumenberg, im Gegensatz zu fast allen anderen Stadtteilen im Bezirk, keinen eigenen geeigneten Fußballplatz gibt. Sollte Kreuzfeld gebaut werden, wäre es dann höchste Zeit auch für den Bau eines Fußballplatzes.

Nützliche Links

  1. Kreuzfeld, Blumenberg-West, Festivalgelände oder Bauland “in spe” für immer?
  2. Großsiedlungen: Ja oder Nein?
  3. Deutzer Hafen, Köln. „In Köln-Deutz reift in attraktiver Lage am Rhein und mit Blick auf den Dom ein einzigartiges Stadtquartier mit einer Fläche von rund 37,7 ha heran. Ein gemischt genutztes Quartier und eine vielfältige Nachbarschaft, ein Ort mit unverwechselbaren, gut proportionierten Stadträumen von hoher ästhetischer Qualität und attraktiven, nutzerfreundlichen Freiräumen. Insgesamt wird angestrebt, etwa 3.000 neue Wohnungen für 6.900 Bewohner anzubieten. Zudem sollen rund 6.000 neue Arbeitsplätze sowie Kitas, eine Grundschule, Gastronomie, Kultur- und Freizeitangebote entstehen. Derzeit ist eine Geschossfläche von insgesamt rd. 560.000 m² geplant.“
  4. Ehrenveedel, Köln, „Auf dem rund 70.000 Quadratmeter großen Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs in Köln-Ehrenfeld bauen Pandion und ein weiterer Projektentwickler in den kommenden Jahren insgesamt rund 500 Wohnungen. Davon sind seitens Pandion 240 Eigentumswohnungen vorgesehen sowie zusätzlich rund 80 Einheiten, die im sozialen Wohnungsbau entstehen.“
  5. Ostfeld, Wiesbaden. Ein neuer Stadtteil für rund 10.000 Bewohnerinnen und Bewohner ist geplant.
  6. Jätkäsaari , Helsinki „Auf einer der größten Baustellen Europas entsteht zur Zeit ein neuer riesiger Stadtteil, Jätkäsaari – mitten in der Stadt, auf dem Gelände des einstigen Containerhafens. In fünf Jahren sollen hier 18.000 Menschen wohnen. […] Ein Busbahnhof, eine Eishockeyhalle, ein in den Fels gebautes Schwimmbad, ein Museum und sogar eine Kirche befinden sich unter der Erde.“

* Der Name ist ein Vorzeichen (lat.)

Alexander Litzenberger

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